Ein Tag bei
Schwarzenbach
Weinbau

Edition 06

Noch ist es eiskalt an diesem sonnigen Märzmorgen, als sich das Team von Schwarzenbach Weinbau um 7.15 Uhr in der Küche zum Arbeitsauftakt einfindet. Da tut es gut, sich mit der Wärme eines kräftigen Kaffees zu wappnen. Man begrüsst sich und plaudert, bis Alain Schwarzenbach die Aufgaben verteilt. Dann ziehen alle in eine andere Richtung los, um eigenverantwortlich ihre Arbeit im Rebberg, im Keller oder im Büro zu erledigen.

Die Gruppe, die jetzt mit klammen Fingern in den Chorherren Ruten anbindet, ist buntgemischt: Aus­zubildende, Winzerinnen, befreundete Helfer und Önologen arbeiten einträchtig nebeneinander. Warum man bei Schwarzenbach Weinbau Wert auf hochqualifizierte Mitarbeiter im Rebberg legt, erklärt der Kopf des Teams, Luca Passante: «Anders als in der industriellen Produktion, wo an den Weinen herumkorrigiert wird, hängt in einem ambitionierten Familienbetrieb alles von der Qualität der Trauben ab. Wirklich guter Wein entsteht im Rebberg.»
 

In der Regel ist der diplomierte Önologe aus Süditalien zusammen mit Winzerin Zoe Bolliger und der Auszubildenden Salome Mack unterwegs – eine verschworene Gemeinschaft, wie sich auf den ersten Blick zeigt: Witzeleien und Lacher wechseln sich mit konzentriertem Austausch über fachliche Themen ab. «Es ist toll, mit Expertinnen zusammenzuarbeiten», sagt Luca. «Sie machen nicht einfach Dienst nach Vorschrift, sondern denken mit und verstehen, dass man bei Bedarf auch mal nach Feierabend arbeitet.»

Zu Spitzenzeiten wird das Kernteam von vielen weiteren Helfern unterstützt, die meist eine persönliche Verbindung zur Familie haben. Heute sind die beiden ­Rebhelfer Harry Weber und Daniel Wälti im Weinberg. Die beiden Pensionierten – der eine Ingenieur, der andere Gastronom und beide seit langem mit der ­Familie befreundet – betrachten ihre Arbeit hier als Hobby. Ihren inzwischen gross gewachsenen Wissensschatz teilen sie gerne. So führt Daniel interessierte Gäste durch den Keller, während Harry jeweils am zweiten Samstag den wöchentlichen Verkauf übernimmt.

«Nach einigen Wanderjahren zog es mich in die Reben nach Meilen zurück – hier bin ich zu Hause.»


Zoe Bolliger

Im Laden zwischen Büro und Weinlager befüllt Sandra Suter zusammen mit Salome die Regale für den bevorstehenden Samstagsverkauf. Das Erdgeschoss ist Sandras Reich. Hier nimmt sie Bestellungen auf, packt die Kartons für die Lieferung, berät die Kundschaft und hilft überall dort, wo ein «Mädchen für alles», wie sie sich selbst nennt, benötigt wird. Die gelernte Verkäuferin schätzt nicht nur die abwechslungsreiche Arbeit, sondern auch, dass sie hier Teil der Familie ist.
 

Der Begriff «Familie» fällt immer, wenn die Mitarbeitenden über ihren Arbeitsalltag erzählen. Ein Zufall ist das nicht. Alain und seine Partnerin Marilen Muff legen Wert auf gemeinsam verbrachte Pausen und darauf, dass man sich gegenseitig hilft. «Wenn einer vor der Pause noch eine Arbeit beenden muss, dann packen wir alle mit an», erklärt die herzliche Geschäftsführerin, während sie das Trockenfleisch für den Znüni aufschneidet. Für Zoe, die bereits die Lehre bei Schwarzenbach Weinbau gemacht hat, ist dieser Zusammenhalt für die gute Stimmung entscheidend: «Seit ich hier bin, freue ich mich jeden Tag auf die Arbeit. Selbst wenn ich mit schlechter Laune aufstehe, hält sie nicht lange an.»

Ein besonders wichtiger Moment jedes Arbeitstages ist denn auch das Mittagessen, wo man über Besonderheiten und Herausforderungen des Morgens spricht, den weiteren Tagesverlauf plant oder einfach die gemeinsame Zeit geniesst. Heute fahren die Mitarbeitenden nach Uetikon am See, wo der befreundete Winzer Martin Schnorf ebenfalls einen Traditionsbetrieb führt. Die beiden Familien unterstützen sich gegenseitig, um ihre Rebberge nach Möglichkeit von Hand zu bewirtschaften und um Erkenntnisse und Fachwissen auszutauschen. Aus seiner Küche duftet es nach im Smoker gegartem Fleisch und Gemüse. Indem er das Team einmal pro Woche verköstigt, entlastet er Cécile Schwarzenbach, die an den übrigen Tagen die Mitarbeitenden mit ihren Kochkünsten verwöhnt.

Cécile und ihr Gatte Hermann «Stikel» Schwarzenbach sind nach der Übergabe des Betriebs 2016 an die junge Generation im Alltag nach wie vor präsent. So sorgt Cécile dafür, dass der Garten farbenprächtig gedeiht und die Zahlen in der Buchhaltung stimmen. Jeden zweiten Samstag berät sie zudem die Kundschaft im Laden. Stikel ist indes für die Schnapsbrennerei zuständig, liefert die Weine an seine über die Jahre zu Freunden gewordenen Kunden aus und führt interessierte Gruppen mit Charme durch den Weinkeller.

«Ich schätze es, in einem so offenen und aufgestellten Team zu arbeiten.»


Sandra Suter

Nach dem Mittagessen geht Alain in den Keller und trifft auf Manuel Tresch, der am Tag, bevor die Weine abgefüllt werden, einen letzten Qualitätscheck vornimmt. Nachdem der einstige Bäcker und Konditor seine Faszination für Wein entdeckt hatte, machte er sich auf die Suche nach einer Lehrstelle zum Winzer. «Für Schwarzenbach Weinbau entschied ich mich, weil ich hier offene Menschen mit einem grossen Herz gefunden habe und von vielschichtiger Erfahrung und einem topmodernen Weinkeller profitieren kann», sagt der inzwischen seit 2015 ausgebildete Winzer.

An seinem einstigen Lehrmeister Alain bewundert er das analytische Vorgehen. «Er überlässt nichts dem Zufall», sagt Manuel, der heute in Altdorf das Weingut zum Rosenberg betreibt und bei Schwarzenbach Weinbau als ebenbürtiger Fachmann hochgeschätzt ist. Gemeinsam degustieren und beurteilen die beiden Männer die Weine, besprechen, ob und welchen Feinschliff sie benötigen. «Wir haben jedes Jahr die Chance, aus unseren Erfahrungen zu lernen und einen noch besseren Tropfen zu produzieren», betont Manuel. Auch hier wird das Team einbezogen und jede Meinung ernstgenommen.

Zum Feierabend-Apéro schenkt Alain den Riesling 2020 aus, den die langsam eintrudelnden Mitarbeitenden besonders geniessen. Dazu reicht Marilen ein reichhaltiges «Plättli» aus Käse und ­Trockenfleisch. Die Weinkisten, auf denen sie sitzen, in die letzten Sonnenstrahlen gerückt, lassen sie gemeinsam den Tag Revue passieren. Laut wird über das Stück Käse gelacht, das in Salomes Glas gefallen ist und die Beurteilung verunmöglicht, und über Lucas ­schelmischen Blick, als er den so veredelten Camembert aus ihrem Glas fischt und genüsslich verschlingt.

«Nicht nur in der Praxis, auch beim Lernen für die Berufsschule bekomme ich sehr wertvolle Unterstützung.»


Salome Mack

«Die Entwicklung des Weines von der Traube bis in die Flasche zu begleiten, fasziniert mich.»


Manuel Tresch


 

Riesling 2020
Zürichsee AOC, CHF 19.00, 75 cl
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Aus dem Rebberg

Auswirkungen des Hagelschlags 2021

Der Hagelschlag vom vergangenen Sommer hat nicht nur die Ernte 2021 um mehr als die Hälfte reduziert, sondern vielerorts auch das Rebholz und die Knospen stark verletzt. In den Knospen sind die Trauben für das kommende Jahr bereits ausgebildet. Alains Untersuchungen an eingestellten Ästen aus den verschiedenen Rebbergen zeigten, dass viele Knospen nicht austreiben werden. «Um einem erneuten Ertragsausfall entgegenzuwirken, haben wir doppelt bis dreimal so viel Holz wie üblich stehengelassen», erklärt er. «Wenn wir einen schönen Sommer haben, kommen wir mit diesen Massnahmen vielleicht sogar auf 100 Prozent Ertrag.»